KÖLN — Filmpräsentation "Zeige Deine Wunde – Kunst und Spiritualität bei Joseph Beuys" mit Rüdiger Sünner

FILMPRÄSENTATION "ZEIGE DEINE WUNDE
 – KUNST UND SPRITITUALITÄT BEI JOSEPH BEUYS" MIT DEM FILMEMACHER RÜDIGER SÜNNER

16. JUNI 2019, 19.30 UHR

 

Die Bäume sind nicht wichtig, um dieses Leben auf der Erde aufrechtzuerhalten, nein, die Bäume sind wichtig, um die menschliche Seele zu retten. Dieser Spinatökologismus, der interessiert ja nicht … Das einzige, was sich lohnt aufzurichten, ist die menschliche Seele. Joseph Beuys

DER "VERWUNDETE HEILER" – SPIRITUALITÄT ALS KUNST DER VERWANDLUNG UND REGENERATION

Der Aktionskünstler, Bildhauer, Kunsttheoretiker und Pädagoge Joseph Beuys, zeitlebens umstritten, anstößig im besten Sinne, wollte berühren und berührbar sein. Die seelische und körperliche Verletzlichkeit des Menschen war sein Thema. Nicht zufällig trägt eine seiner bekanntesten Installationen den Titel "Zeige deine Wunde".
 
Beuys, heute weltweit als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts angesehen, hegte tiefes Interesse für Mythologie, Schamanismus, Anthroposophie, Alchemie und Mystik. Vor allem aber war er ein "verwundeter Heiler" im Sinne C. G. Jungs, der unser zunehmend auf ökonomische Ziele und rationale Effizienz reduziertes Bewusstsein durch seine Arbeiten erweitern wollte.

 

Wie die alten Mythen, so bewegte sich Beuys in Bildern und Symbolen, die für ihn wichtige Quellen zur Entwicklung unserer verkümmerten Imagination waren. Sein berühmter Satz "Jeder Mensch ist ein Künstler" meinte nicht, dass jeder wie Mozart komponieren kann, sondern dass in jedem von uns schöpferische Kräfte wohnen, die unseren eigentlichen Wesenskern ausmachen.

 

Drehbuch und Regie: Rüdiger Sünner

Produktion: Absolut Medien GmbH, 2015

Länge: 85 Minuten

Mitwirkende: Rhea Thönges-Stringaris, Sonja Mataré, Franz Joseph van der Grinten, Volker Harlan, Rainer Rappmann, Johannes Stüttgen, Wolfgang Zumdick
Sprecher: Hans-Peter Bögel
Klavier: Christian Fries (aus den Goldbergvariationen von J. S. Bach)

 

Buch zum Film: Zeige deine Wunde

Über den Filmemacher: Rüdiger Sünner

 

Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein Gespräch mit den anwesenden Gästen und dem Filmemacher Rüdiger Sünner statt.

 

Die Plätze sind begrenzt, eine Anmeldung ist erforderlich: salon@intuitionstraining.org

 

Rüdiger Sünner portraitiert Joseph Beuys als einen Menschen, der in all seiner Kunst und mit seinem ganzen Wesen das bestehende Gesellschaftssystem in Frage stellt und nach Alternativen sucht. Er zeigt den Menschen als verletzliches Wesen, das der Heilung bedarf. Ralf Bei der Kellen, Deutschlandradio

 

RÜDIGER SÜNNER ZUM FILM

 

Die geheimnisvolle Kunst von Joseph Beuys begleitet mich schon seit früher Jugendzeit, als ich mit 16 Jahren das erste Mal dessen Installation "Das Rudel" in einer Kölner Kunstausstellung sah. Hier öffnete sich ein neuer Imaginationsraum: Als Heranwachsender spürte ich besonders intensiv die Farben von Einsamkeit, Verwundung, Ausgesetztsein, aber auch von Rettung, Wärme und Geborgenheit. Ganz normale Schlitten, Taschenlampen, Filzdecken, ein alter VW-Bus waren so angeordnet, dass in meinem Kopf ein ganzer Film zu laufen begann.
 
Hier schien mir ein Künstler am Werk, der aufgrund eigener körperlicher und seelischer Verletzungen in der Lage war, mit seiner Kunst Heilungsimpulse auszulösen. Das war 1969 ungewöhnlich: Man bewunderte eher die bunte, hedonistisch-ironische Ästhetik eines Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg und Andy Warhol.

 Auch ich schätzte diese Künstler, aber empfand Beuys demgenüber als wohltuenden Kontrast, der aus einer anderen Welt zu kommen schien: aus dunklen Wäldern, verschneiten Steppen, aus einer tiefen Verbundenheit mit Pflanze und Tier, aus spirituellen Traditionen der Mythologie, des Schamanismus, der romantischen Naturphilosophie.
 
Seit seiner Kindheit war er vertraut mit der Tatsache, dass eine Sonnenblume, eine Biene, eine Eiche oder ein Hirsch nicht einfach nur aus Molekülen zusammengesetzte Organismen sind, sondern wundersame Verkörperungen von Kräften, die man nicht nur rational erfassen kann. Sie rühren uns an, dienen uns als Sinnbilder für Seelisches, was auf eine tiefere Verbindung zwischen unserer inneren und der äusseren Natur hinweist.

Beuys' Kunst konfrontiert uns mit Tieren und Pflanzen als unseren "Aussenorganen", ohne die wir physisch und seelisch nicht leben könnten. So tragen seine Bilder, Aktionen und Rituale in Zeiten zunehmender ökologischer und psychischer Krisen Heilungsimpulse in die Welt. Doch Beuys verneigt sich nicht nur vor Tieren und Pflanzen, sondern auch vor Dingen und Substanzen , die in unserer Wegwerfgesellschaft als "niedrig", "verbraucht", "wertlos", und "abstossend" gelten.
 
Auf seine Arbeit passt der alte Alchemistenspruch: "Schätze die Asche nicht gering, denn sie ist das Diadem deines Herzens." Bis heute fühlen sich viele Menschen dadurch provoziert, dass dieser Künstler auch Fett, Filz, Tierschädel, alte Fundstücke aus Kellern und Rumpelkammern, Verblichenes und Verrostetes in sein Werk mit einbezieht. Indem er diese "verworfenen" Materialien neu gruppiert, haucht er ihnen wieder ihre verlorene Würde ein und lehrt uns damit, auch unser "Niedrigstes" und "Verbrauchtes" zu akzeptieren. Ein konkreter Recycling-Akt, der zu einer therapeutischen Erfahrung werden kann.

Der Film und das Buch "Zeige deine Wunde" nehmen uns mit auf eine Reise zum "verwundeten Heiler" Beuys, zu Orten und Landschaften seiner Kindheit sowie nach Irland und Schottland, wo er wichtige Impulse durch die keltische Kultur empfing. Vor allem aber zu seinen Hauptwerken, die gerade in unserer auf Effizienz und ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Zeit erneut zu Objekten der Meditation werden können.

 

Die Kunst von Joseph Beuys ist eine zutiefst spirituell motivierte Kunst. Nicht nur, weil er sich zeitlebens für Mythologie, Alchemie, Schamanismus, Anthroposophie und Traditionen eines keltischen Christentums interessierte, sondern weil Beuys die Aufgabe des Künstlers im Aufzeigen der Traumata seiner Zeit und der Initiation von Heilungsprozessen sah. Er reagierte damit auf psychische und ökologische Beschädigungen, die in unserer heutigen Gesellschaft sogar noch zugenommen haben. Rüdiger Sünner

 

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